Der Traumwagen - offen für alles
Test des 2018er Porsche 911 (991) Carrera S Cabriolet
Der offene 911 ist für viele der Traumwagen schlechthin. Auch in seiner neusten Generation. Und das trotz - oder gar wegen der Knöpfe
Wie geht drei Sekunden Wellness für Menschen mit Benzin im Blut? Bei offenem Dach Sportmodus rein, Gas geben und dann den Fuß leicht lupfen: Säße man nicht gerade am Steuer, müsste man die Augen schließen und das wohlige Schauern, das einen beim melodischen Sprotzeln befällt, das das Porsche 911 S Cabrio dann veranstaltet, richtig genießen. Klar, dass die akustische Qualität auch nach der zum Facelift erfolgten Revolution im Motorraum weiterhin hoch ist – das Ohr fährt bei der Boxer-Ikone schließlich immer mit, sozusagen. Wer genau lauscht, hört aber bei einer längeren Ausfahrt feine Unterschiede.
Das Porsche Carrera 911 Cabrio begeistert von allen Seiten.
Auch Hersteller von Sportwagen-Ikonen sind nicht von der Erfüllung der immer strenger werdenden Abgas- und Verbrauchsvorschriften befreit. Deshalb verabschiedeten sich die 911-Motorenentwickler mit der Überarbeitung wie schon so viele Kollegen vor ihnen vom Saugmotor-Konzept und setzen nun in allen Elfern Turbo-Motoren ein. Es bleibt natürlich beim Sechszylinder-Boxer-Aggregat, der Hubraum ist auf 3,0 Liter gesunken. Im von uns gefahrenen 911 Carrera S Cabrio ist der Biturbo-Boxer auf 309 kW/420 PS erstarkt.
Elfer-Puristen trauern möglicherweise um einen Klassiker, der nun ebenfalls zwangsbeatmet wird, und fürchten um spontanes Ansprechverhalten und lineare Beschleunigung, typische Merkmale eines Saugmotors. Müssen sie aber nicht, das sei hier ganz klar gesagt – und mal ehrlich, hätte man Porsche wirklich zugetraut, einen Elfer mit riesigem Turboloch auf den Markt zu bringen?
Die beiden Lader – einer für jede Zylinderbank – bauen früh genügend Druck auf, der Elfer stürmt kraftvoll durchs Drehzahlband, dass es eine Freude ist. Zwischen 1.700 und 5.000 Umdrehungen liegt das maximale Drehmoment an, das sich auf 500 Newtonmeter erhöht hat. So tritt man bei 180 Sachen noch einmal beherzt aufs Gas und wird in Sekundenbruchteilen noch einmal in den strammen Sportsitz gepresst, wenn das Doppelkupplungsgetriebe (PDK) drei Gänge runter schaltet und den Boxer bis maximal 7.500 Touren hoch drehen lässt. Einzig bei sehr langsamer Geschwindigkeit, wie im städtischen Feierabendstau, findet – wer sucht – eine minimale Verzögerung zwischen Gaspedalbefehl und Umsetzung. Dafür verbraucht das starke Elfer Cabrio jetzt mit 7,8 Litern auf 100 Kilometern rund einen Liter weniger als zuvor.
Zwischen 1.700 und 5.000 Umdrehungen liegt das maximale Drehmoment des Porsche Carrera 911 Cabrio.
Das gilt natürlich nicht, wenn man drauftritt – im Test waren es 9,7 Liter im Schnitt. Bis zu 304 km/h wird das S-Cabrio schnell. Ein Tempo, für das die Autobahn ziemlich frei sein muss, wir haben die Endgeschwindigkeit nicht erreichen können. Aber wir können bestätigen, dass mit 200 km/h offen zu fahren in diesem Cabrio immer noch eine relativ angenehme Angelegenheit ist. Wer die Raserei auskosten möchte, wählt den Sport- oder Sport-Plus-Modus, in dem der Elfer schön gierig am Gas hängt und das PDK die Gänge hoch ausfährt. Ein Knöpfchen am neuen drehbaren Mode-Schalter im Lenkrad hat Potenzial zur Lieblingstaste: Bei der Betätigung des "Sport Response Button" gibt’s für 20 Sekunden noch mehr Sport, dann werden mit optimalem Gang und angepasster Motorsteuerung schnelle Überholvorgänge vorbereitet. Dass Kurvenfahren im Carrera S besonderes Vergnügen bereitet, ist nicht neu und natürlich auch eine Kernkompetenz des gelifteten Elfers.
Im Cockpit blickt der Fahrer weiterhin auf analoge Armaturen, was schon fast als retro durchgeht, bei all dem Cockpit-Chichi, den andere Premium-Hersteller so betreiben. Doch die über Jahrzehnte optimierten Anzeigen mit dem großen Drehzahlmesser in der Mitte brauchen gar keinen frei konfigurierbaren, digitalen Schnickschnack. Als Zugeständnis an das Jahr 2016 fügt sich auf der rechten Seite ein Display, zum Beispiel für die Navikarte, kreisrund und harmonisch in die Armaturen ein.
Neu ist aber die Generation des serienmäßigen Infotainmentsystems, hier ist der Elfer nun mit Online-Navigation, Sprachbedienung, Apple Car Play und Bedienung wie beim Smartphone mit Wischen und Zoomen auf der Höhe der Zeit. Vorsichtshalber sind Dreh-Drücksteller und diverse Bedientasten trotzdem erhalten geblieben, für alle, die Touchscreens nicht mögen. Was wiederum die stören dürfte, die die heute so beliebten, fast knöpfchenfreien Mittelkonsolen lieben.
Das Cockpit des 911 ist mit seinen Rundinstrumenten klassisch und ein Klassiker.
Apropos Knöpfchen: Auch die Gänsehaut-Taste mit dem stilisierten Doppelauspuff ist geblieben, die aus einem im Normal-Modus für lange Autobahnfahrten oder nächtliche Heimkehr für seine Verhältnisse zivil klingenden Elfer einen krakeelenden, donnergrollenden Aufsehen-Erreger macht – und mit offenem Dach und Sonnenschein zu einem Wellnesstempel für Petrolheads. Aber: Trotz allem Spektakel hört, wer genau lauscht, beim Beschleunigen das unvermeidliche Säuseln der Turbos. Aber sollte man wirklich so anachronistisch sein und es dem Elfer übel nehmen?
SP-X
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Christian Finke |
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