Mit dem Porsche 911 Turbo S über den Jaufenpass in Südtirol
Der Traum vieler Autofans: Mit dem besten deutschen Sportwagen über einen der schönsten Pässe der Alpen zu fahren.
Der Ruf des Porsche 911 Turbo S ist legendär. Er geht über den des Basis-Elfers noch hinaus. Ein Raunen ist jedes Mal unter den Sportwagenfans zu hören, sobald man den Namen ausspricht. Kein brachialer Bolide norditalienischer Provenienz, sondern eben Ausdruck meisterhafter deutscher Ingenieurskunst. Unaufgeregt, aber eben perfekt sei er.
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Als stolzer ehemaliger Besitzer eines 991 Carrera 4S mit Facelift waren meine Erwartungen dementsprechend hoch an den großen Bruder. Zumal die Preisdifferenz zum meines Erachtens schönsten Produkt aus Zuffenhausen – dem klassischen Elfer – erheblich ist. Es müssen je nach Ausstattung des Turbo S ja schon mindestens 50.000 Argumente für die Bestellung eines Exemplars sprechen, um dieses Abbiegen in den kaufmännischen Grenzbereich zu rechtfertigen. Kurzum: Ich oute mich hier als großer Fan der Sportwagenmarke Porsche, aber eben auch als Skeptiker des Turbo S beim Blick in die Preisliste.
On the road im Über-Porsche
Und so ging die Reise an einem Augustsommerabend im Münchner Süden los. Die Kulisse zur Einstimmung vor Fahrtbeginn stimmte dann auch - Dank der globalen Erwärmung bot das Blaue Land rund um den Starnberger See einen glühenden und wildromantischen Sonnenuntergang – die Toskana und Südkalifornien können es wohl kaum besser.
Besser können die Voraussetzung folglich für unseren Ritt über die Alpen mit Ziel Südtirol eigentlich nicht sein. Überhaupt Südtirol – für mich das ultimative touristische Schlaraffenland mit mediterranem Klima, über 300 Sonnentagen im Jahr, grandioser Kulinarik und vor allem einer atemberaubenden, ihresgleichen suchenden, alpinen Kulisse, keine drei Autostunden von München entfernt.
Der 911 Turbo S aus der Nähe
Aber nähern wir uns erstmal dem 911 Turbo S: Der erste Eindruck vom Turbo S bestätigt mein Vorurteil: schlichte schwäbische Schönheit. Zwar bläst er im Heckbereich ordentlich die Backen auf im Vergleich zum dezenten Hintern des Basis-Elfers. Aber im Vergleich zu den Boliden aus Maranello oder Sant'Agata ist der äußere Auftritt des Über-Elfers eigentlich schon fast zurückhaltend und bescheiden. Dieses Bild setzt sich dann auch im Innenraum fort – hier herrscht die nüchterne Funktionalität eines Zahnarztstuhls, meilenweit entfernt von der barocken Cockpit-Kapelle eines Lamborghini Huracans oder vom Carbon-Tempel eines 488 GTB. Einzig das „Turbo S“- Kürzel lässt die titanischen Kräfte des Wagens erahnen.
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Der Motor wird gestartet – wer sich hier jedoch eine Akustik-Orgie erwartet hat, wird ehrlich gesagt ziemlich enttäuscht sein. Kein Scheppern, kein Fauchen, kein Dröhnen – ein dumpfes, sonores Brummen entlockt man dem Wagen nach Drehen des Zündschlosses. Statt Vulkaneruption also eher lauer Herbstwind im Schwarzwald.
Heimliche Kooperation mit Sagrotan?
Und genauso unaufgeregt ist denn auch der erste Eindruck, nachdem das Elfer-Topmodell in Bewegung gesetzt wurde: man gleitet wohltemperiert durch den Münchner Stadtverkehr und gelangt auf die wie immer verstopfte Autobahn A8 gen Süden – alles scheint in diesem Automobil ein wenig abgekapselt, schallisoliert, seltsam entrückt und ehrlich gesagt weitestgehend „gefühlssterilisiert“ – so als hätte man in Zuffenhausen die Entwicklung des Fahrzeugs vor allem in Partnerschaft mit der Firma Sagrotan betrieben.
Enttäuschende Ernüchterung statt Aufregung
Ich war fast ein wenig fassungslos – da bezahlt man den Preis einer Eigentumswohnung und bekommt eine Auflistung physikalischer Rekordwerte, in einer attraktiven Karosserie-Hülle verpackt, überreicht – und nun will man doch gefälligst schwitzen und geschüttelt werden, so wie es sich eben gehört, wenn man eine Rakete auf vier Rädern besitzt! Man will einen Boliden, den man liebt und fürchtet zugleich, man will Emotionen und Rundungen, Kreischen und Fauchen – man will mit rasendem Puls Schaumwein aus dem Bauchnabel von Alessandra Ambrosio schlürfen! Und was bekommt man? Einen Aquavit kredenzt von Marlene Dietrich!
Abgekoppelt von der Außenwelt im Raumschiff schweben
So in Summe der Eindruck der ersten 175 Kilometer in Richtung Süden über die Schnellstrassen und Autobahnen Tirols in Richtung Brenner. Etwas zerknirscht verlasse ich die Autobahn auf der Höhe von Sterzing und schwebe ohne nennenswerten Kontakt zur Außenwelt quasi an Bord eines Raumschiffs Richtung Jaufenpass, der sich zur freudigen Überraschung des Fahrers erstaunlich verkehrsarm präsentiert.
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Nun also die erste Gelegenheit, um den Turbo S etwas zu reizen und das Volant von „0“ bzw. „Comfort“ fortan auf „S“ wie „Sport“ zu stellen sowie erstmalig das Gaspedal beherzt durchzutreten.
Galaktisches Erweckungserlebnis
Auf ca. 1.600 Metern Meereshöhe zwischen den Gemeinden Kalch und Ratschings passiert es dann und ich werde ein zweites Mal getauft, es kommt zum Erweckungserlebnis: Raum und Zeit stehen zunächst still, dann folgt der galaktische Urknall – und alles was bleibt, sind verzückte Erinnerungsblitze eines emotionalen Hurrikans: der Turbo S beschleunigt auf so infernalische Weise die schmale Passstrasse entlang, ohne dabei auch nur einen Zentimeter aus der Spur zu geraten, dass man meint, in einem Teilchenbeschleuniger zu sitzen. Der Jaufenpass wird zum Schienenersatznetz für Hochgeschwindigkeitszüge, ich sitze in einer Mischung aus Fluxkompensator und Präzisionswaffe. Mein Atem stockt. Mein Magen komprimiert sich auf Walnuss-Größe. Unfassbar. Man ist nach diesem Erlebnis wirklich ein wenig verändert, weil man erleben darf, wie eng Rausch und Perfektion beieinander liegen können und was Sportwagen-Technologie in ihrer höchsten Form ermöglichen kann. Und man ist danach vor allem eines: süchtig nach noch mehr davon!
Liebe auf den zweiten Blick
War ich noch vor wenigen Kilometern ein hadernder Skeptiker, dem sich die Faszination „Turbo S“ nicht wirklich erschließen mochte, so bin ich spätestens auf Passhöhe zum Jünger und ewigen Fan dieser automobilen Wundertüte konvertiert. Es ist zugebenermaßen Liebe auf den zweiten Blick – aber nun pocht mein Herz umso heftiger für den Wagen. Gibt es so etwas wie die ultimative Kombination aus narrensicherem Fahrverhalten und brachialer Kraftentfaltung bei noch surrealeren Beschleunigungswerten – das ist sie. Das muss er sein, der beste Sportwagen der Welt.
Der beste Sportwagen der Welt
Wohlwissend, dass ich hier nun einen winzigen, sehr subjektiven Beitrag zur Beurteilung einer Sportwagen-Ikone leiste, steht für mich persönlich ohne Zweifel fest: ich will nie wieder aussteigen. Den Rest meiner Tage würde ich gerne auf diesem Bergpass in diesem Auto verbringen. Es wäre wohl ein sehr glückliches Leben.