Der Turbo bewegt Porsche-Fans seit sieben 911-Generationen. 1974 brachte der erste Turbo den Spaß an Supercars zurück
Längst zählt der Typencode Turbo genauso zur Porsche-Tradition wie die mythische Zahl 911. Nicht einmal der vollelektrische Taycan mag auf jenes Zauberwort für aufgeladene Verbrennungsmotoren aus Zuffenhausen verzichten, die seit 46 Jahren furioses Temperament versprechen und jetzt durch die jüngste Generation des 911 Turbo in bislang schärfster Form vorfahren. Die Premiere dieses bereits siebten Elfers mit Turbo-Signet (Typ 992) erfolgte wegen der Corona-Pandemie zunächst nur virtuell, aber die in sozialen Medien geäußerte Begeisterung der Fans ist real.
Ein Turbo-Überflieger im Krisenjahr
Da kommen sogleich Gedanken an das automobile Krisenjahr 1974 auf. Damals präsentierte Porsche den ersten 911 Turbo (Typ 930) als schnellsten deutschen Straßensportwagen und sprintstärkstes Sechszylinder-Top-Ass im Autoquartett europäischer V12-Boliden. Zwar gab es bereits einzelne Turbo-Pioniere wie Oldsmobile Jetfire, Chevrolet Corvair Monza und BMW 2002 Turbo, aber der grandiose Durchbruch sollte dem Turboprinzip „kleiner Motor, große Leistung“ erst im 911 gelingen.
Bestenfalls 400 Exemplare hatte Porsche von diesem frühen, 191 kW/260 PS freisetzenden Dampfhammer geplant. Immerhin begann die Preisliste für den 911 Turbo bei 65.800 Mark und damit 50 Prozent über dem 911 Carrera. Aber nichts konnte die Lust auf den ersten Turbo-Traumwagen einbremsen, so wurde in nur drei Jahren die unglaubliche Zahl von 2.850 Einheiten ausgeliefert.
Richtig einordnen kann man diesen Superlativ erst bei einem Blick zurück auf die Autowelt des Jahres 1974. Die Folgen des Ölkrisen-Winters mit rigiden Tempolimits – vielerorts nicht mehr als 90 oder 100 km/h - hatten besonders die Sportwagenbauer in eine Depression gestürzt, zumal die europäische Supercar-Klientel inzwischen gerne den Nerz nach innen trug, um Sozialneid zu vermeiden.
Gleich mehrere prominente Sportwagen-Hersteller begaben sich in Insolvenz und sogar Porsche hatte zum Jahresanfang einen dramatischen Absatzeinbruch hinnehmen müssen. Ausgerechnet in dieser Zeit zündete Porsche den Turbo und das mit einem provozierend großen Heckflügel, dessen Anblick genügte, um jedem Leistungsfetischisten feuchte Hände zu bescheren. Hatten Spoilerwerk und Spiegelschrift beim BMW 2002 Turbo im Vorjahr noch für breite öffentliche Empörung gesorgt, bewies sich der Porsche 911 mit Abgasturbolader KKK3 jetzt überraschend als perfekter Krisenkiller.
Appetit auf das Adrenalin-Doping durch den ersten schwäbischen Serien-Turbo bewirkte zunächst der 911 Carrera RSR 2.1 Turbo, der im Juni 1974 als erster Rennwagen mit einem Abgasturbolader und 368 kW/500 PS Leistung bei den 24 Stunden von Le Mans an den Start ging. Es war eine erfolgreiche Stimulanz: Auf dem folgenden Pariser Salon musste der Porsche-Stand fast wegen Überfüllung geschlossen werden, so dicht drängten sich die begeisterten Premierengäste um den neuen 250 km/h schnellen Turbo-Superstar aus Zuffenhausen, der rasanter auf Tempo 100 sprintete als sämtliche V12-Ferrari oder Maserati Khamsin.
Im Alltag war das Porsche-Top-Modell ohnehin König der Überholspur, sofern er besonnen bewegt wurde. Denn andernfalls ließ der nach berühmt-berüchtigter Turbo-Gedenksekunde unvermittelt einsetzende raketengleiche Vorwärtsschub den stärksten Porsche leicht außer Rand und Band geraten. Legendär ist der Rat des Autotesters und Formel-1-Champions Niki Lauda: „Der Laie sollte die Finger von diesem Auto lassen“.
Mit Vollgas in die Turbo-Dekade
Noch heftiger zur Sache ging der Porsche Turbo ab 1977 und das kam so: Damals präsentierte sich der neue V8-Typ Porsche 928 mit 176 kW/240 PS als potentieller Nachfolger des altgedienten 911. Den Elfer sterben lassen? Da konnten Turbo-Piloten nur genussvoll grinsen: Ihre Fahrspaßgranate knackte jetzt dank Ladeluftkühlung und auf 3,3 Liter Hubraum vergrößerter Maschine die magische Zahl von 221 kW/300 PS. Damit ging es in die technik- und tempoverliebten 1980er, jener Dekade, in der Autos trotz Waldsterbens und Katalysatorpflicht nie genug Kraft und Vmax haben konnten.
Turbo war inzwischen im Alltagssprachgebrauch zu einem Synonym für „schnell“ avanciert, auch wenn Wortschöpfungen wie „Turbo-Kapitalismus“ und „Turbo-Abitur“ erst ein paar Jahre später in den Duden aufgenommen wurden. Im Modelljahr 1987 passierte trotzdem bis dahin Unvorstellbares: König 911 Turbo wurde von zwei noch stärkeren schwäbischen Stallkameraden entthront. Porsche hatte den 928 S4 auf 235 kW kW/320 PS aufgerüstet und der Hightech-Typ Porsche 959 bot gar 331 kW/450 PS auf, um als weltweit erster 315 km/h flotter Allrad-Racer zu reüssieren.
Der Popularität des altgedienten 300-PS-Elfers schadete das nicht nachhaltig, gab es den Turbo doch nun endlich auch in den nach oben offenen Karosserievarianten Targa und Cabriolet. Trotzdem sind Leistungszulagen im Sport so wichtig wie Muskelaufbau und deshalb setzte die zweite Turbo-Generation (Typencode 964) in den 1990er Jahren neue Ausrufezeichen mit bis zu 265 kW/360 PS starken 3,6-Liter-Sechszylindern.
Abschied einer Ära
Im Jahr 1995 bestimmte Michael Schumachers erneuter WM-Titel in der Formel 1 die Schlagzeilen der Sportnachrichten, aber auch die News aus dem Haus Porsche hatten es in sich: Der 928 wurde ersatzlos eingestellt, dafür der 911 Turbo (Baureihe 993) mit Allradantrieb und Bi-Turboaufladung aufgerüstet. So erreichte der Hochleistungs-Athlet erstmals über 400 PS (genau 300 kW/408 PS) für knapp 300 km/h Spitze. Drei Jahre später feierten die Porsche-Ingenieure den Abschied einer Ära mit einem wahren Asphaltbrenner: 331 kW/450 PS leisteten die letzten luftgekühlten Boxer.
Auch wenn die Fans trauerten, der Verkaufserfolg gab Porsche recht: Der wassergekühlte 911 Turbo der Baureihe 996 war 305 km/h schnell und wurde im Jahr 2000 überraschend in den USA mit dem Prädikat des „weltweit saubersten Automobils“ ausgezeichnet inklusive des begehrten Signets LEV (Low Emission Vehicle). Da konnten Maranello und Modena nur neidvoll nach Stuttgart schauen.
Zumal der Turbo mit neuartigen Keramik-Verbundbremsscheiben auch Verzögerungsbestwerte erzielte. Allein die als Spiegeleier belächelten Hauptscheinwerfer blieben ein Kritikpunkt und so freuten sich die Gralshüter klarer 911-Linien, als 2006 die fünfte Generation des Turbo (Baureihe 997) die Leuchten in klassischerer Linie inszenierte. Zumal es gleichzeitig die Weltpremiere des weltweit ersten Serienfahrzeugs mit 480-PS-Benzinmotor und variabler Turboladergeometrie zu feiern gab.
Als 2013 der sechste 911 Turbo (Baureihe 991) debütierte, hatte die Turbotechnik Saugmotoren längst in fast allen Segmenten in die Nische gedrängt. Trotzdem galt der inzwischen über 500 PS starke Porsche weiterhin als Speedsymbol des Turbo-Zeitalters. Ein Racer, der seinen Turbo-Sound inzwischen via Symposer ins Cockpit übertrug, so konnte das Suchtpotential des Porsche Turbo sogar in tempolimitierten Ländern besser wirken. Andererseits geht nichts über den großen Kick in der Magengrube, weshalb die brandneue Generation 7 heute stolze 478 kW/650 PS bereithält. (Wolfram Nickel/SP-X)
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Christian Finke
CEO AIL Leasing & Finance
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